Tiempo para cambiar! Chicago - Bolivien! - 20.09.2003 (1)
Hola!
hier mein erstes Lebenszeichen...
Es ist Samstag vormittag, halb zwoelf. Bei Euch
muesste es nun 17.30 Uhr sein... hatte bei meinem
Zwischenstop in Chicago 7 Stunden Differenz, hier seid
Ihr nur 6 Stunden meiner Zeit voraus...
Aber zunaechst ein kleiner Blick zurueck:
TIEMPO PARA CAMBIAR....AUFBRUCH!
Eine ganz tolle Abschiedsdelegation hat mich letzten
Sonntag zum Frankfurter Flughafen geleitet,
Abschiedssekt mit mir genossen und geduldig
ausgeharrt, waehrend mich ein US-Einreisebeauftragter
ausfuehrlichst zu Gepaeck und meinen Plaenen befragte
(so viele Fluege... in so suspekte Laender...)...
Nach Rücksprache mit anderen Bediensteten, denen er
meine Tickets zeigte, beäugte er noch eingehend mein eben
geschenktes rotes Bic-Feuerzeug und liess mich dann doch ziehen.
Irgendwann waren dann auch meine Schuhe
durchleuchtet und nach einem letzten etwas
traenenverschleierten Blick auf die immer noch
liebevoll winkenden Haende entschwand ich gen
Flieger... So fühlte sich das also an, was ich schon
so lange erträumt und geplant hatte: eine Mischung aus
Abschiedstränen ("Dire au revoir c'est mourir un peu"),
Neugierde, Erschöpfung und Glücksgefühl... Endlich: Tiempo
para cambiar - Zeit für Veränderungen... Aufbruch.
Der Flug gen Chicago war wenig spektakulaer... ca. 8 3/4 Stunden...
Neu war fuer mich, dass bei American Airlines in der Holzklasse
jedes alkoholische Getraenk 5 EURO (oder wahlweise 5
U-Dollar)kostet... aber das nur am Rande.
CHICAGO
Gegen 17.00 Uhr Ortszeit kam ich in Chicago an und
eine freundliche Frau am Hotel-Info-Schalter riet mir,
mich mit Hotel-Voucher doch direkt vom Hilton am
Flughafen einzubuchen... Ich und Hilton... aber na
gut... Nach einem Anruf wurde mir der
Uebernachtungspreis von 65 Dollar (plus Steuern etc.
aber immerhin!) bestaetigt. Jedes Hotel downtown waere
angeblich wesentlich teurer gewesen... Somit
quartierte ich mich gleich ein - mit der Gewissheit, so ein
Nobelzimmer auf dieser Reise wohl nicht noch einmal zu haben...
Ich hatte ein interessanten Blick auf die Startbahn, war aber
den letzten Tagen, Wochen und Monaten so k.o., dass
ich das Zimmer gar nicht verliess sondern erstmal bis morgens
durchschlief...
Morgens deponierte ich meinen Rucksack am Empfang
und fuhr eine knappe Stunde mit Bahn und Bus gen Innenstadt und
Seeufer. Eins muss ich dieser Stadt lassen: sie hat einen
phantastischen Michigan Lake-Uferstreifen, ein interessantes,
wunderschoen gelegenes Planetarium und
eine durchaus beeindruckende Skyline!

Chicagos Skyline
Und auch an diesem Brunnen kam ich nicht unbeeindruckt vorbei:

Buckingham Brunnen in Chicago
Nachmittags flog ich gen Miami weiter (ca. 2,5
Stunden), gammelte weitere 2 Stunden muede am
Flughafen und flog dann nach 23.00 Uhr weiter gen...
...LA PAZ
Dort kam ich um ca. 5.30 Uhr an... Am Gepaeckband traf ich ein
franzoesisches Paerchen, das
ich - nachdem ich niemand Bekanntes im Abholraum
entdeckte - mal "fuer alle Faelle" nach Unterkuenften
befragte, da zumindest "er" schon mal in La Paz war..
Cynthia, meine bolivianische Freundin, die ich vor zwei Jahren
im Bus von La Paz nach Coroico kennen gelernt hatte, hatte mir zwar
noch vor wenigen Tagen per Mail bestaetigt, dass sie mich
trotz der fruehen Stunde vom Flughafen abholen wolle
und dann sicher auch eine Unterkunftsidee habe... aber
irgendwas ging da offensichtlich schief...
Die naechste Stunde verbrachte ich damit,
hartnaeckigen Taxifahrern moeglichst freundlich aber
bestimmt zu erlaeutern, dass ich ihre Dienste nicht in
Anspruch nehmen wolle... Die Aussage, dass bald wieder
"el paro" (Sperrzeit) sei und ich dann nicht mehr vom
Flughafen weg kaeme, beunruhigte mich allerdings schon
etwas... Die nette Verkaeuferin am Kaffeestand
erklaerte mir dann aber, dass "el paro" erst ab 9.00 Uhr sei...
und ich auch per Minibus fahren koenne, was nur 2,80
Bolivianos (statt dem mir gebotenen Spezialpreis von
40 statt 45 Bolivianos) koste... Wie häufig: Wer hartnäckig ist
lebt oft günstiger: Der ganz am Schluss gebotene Taxipreis
waere dann nur 30 Bolivianos gewesen... Aber ich fuhr dann doch
Minibus... Fuer Euch zum Ueberblick: 1 EURO sind ca.
7,84 Bolivianos.
Die Fahrt vom Flughafen beim Altiplano runter in die
Stadt ist immer wieder beeindruckend: Der Flughafen
liegt knapp 4000 Meter hoch... die City liegt
auf rund 3.600 Hoehenmetern... Im Zentrum "unten" lebt, wer
es sich leisten kann. Dort sind auch die breiten
Avenidas, Banken, Nobelbauten, Museen, etc. - und einiges an Smog.
An den oberen Haengen hoch ziehen sich Wellblechhuetten und einfache
Bauten... Dort leben die Aermeren. Es ist Erdbebengebiet und die
allerwenigsten der Bauten haetten eine Chance, wenn es dort wieder
los geht...Im Hintergrund ist immer wieder der faszinierende
Blick auf den 6.439 Meter hohen Illimani, ein
schneebedecktes Bergmassiv.

Der Berg Illimani über La Paz
Nach ersten Mate de Coca, die ein gutes Mittel gegen
Hoehenkrankheit sind, marschierte ich mit
meinen beiden Rucksaecken (der grosse hinten, der
kleine vorne..) vom Plaza San Francisco aus los
in Richtung der von den Franzosen
empfohlenen Unterkunft.

Plaza San Francisco
Dies war wohl mein erster
Fehler, denn das Barrio Indio ist zwar absolut
malerisch und liegt recht zentral, aber doch ein gutes
Stueck hangaufwaerts... 1.Lektion: Taxi fahren auf
dieser Hoehe bringt eindeutig Punkte - und mit Gepaeck
allemal! Kam mir vor wie eine alte Frau, stoppte immer
wieder nach ein paar Schritten, um durchzuatmen... Die
Unterkunft Residenciales Illampu selbst war einfach,
sehr guenstig, mit nettem Besitzer und
Gemeinschaftsbad.. aber recht frostig nachts. Mein
dicker Daunenschlafsack leistet mir hier hervorragende
Dienste.
Dank Mail und Internetcafes traf ich meine Freundin
dann am Abend drauf, nachdem ich - voellig erschossen
und mit Paracetamol gegen meine Hoehenkopfschmerzen
kaempfend - 14 Stunden durchgeschlafen hatte...
Ihre Freundin meinte "sie kenne ein "besseres" Hotel"..
Ich nahm dankbar an und quartierte mich am Tag drauf bei ihr
ein. Ist doch gleich nochmal was ganz anderes... :-)
Hab inzwischen viele Strassen dieser Stadt zu Fuss
durchstreift, viele Internet-Cafes getestet, viele
Cocatees getrunken, einige Paracetamols vernichtet,
viel geschlafen, meinen Ruecken mit Gymnasitk
gebaendigt, Tai Chi genossen, mich von Empanadas de
queso (Kaese-Teigtaschen) ernaehrt, Zeitung gelesen
und weitere Reiseplanungen gemacht...
La Paz ist eine faszinierende Stadt, in der wohl so
langsam der Fruehling einzieht.. tagsùeber ist es in
der Sonne oft so heiss, dass ein T-Shirt ausreicht..
aber schon im Schatten froestelt es... und abends sind
bei mir 2 Fleece uebereinander "Pflicht"... letzten
Freitag hat es hier angeblich sogar noch geschneit...
In La Paz leben ca. 1 Mio. Menschen, im Altiplano
(oben am Flughafen) wohl eine weitere Mio. - und dies
von insgesamt ca. 8 Mio. Einwohnern in Bolivien... Die
Stadt ist das politische Zentrum Boliviens. Das
Stadtbild ist sehr gemischt: Neben offensichtlich sehr
wohlhabenden Menschen gibt es viel Armut. Am
Strassenrand sind ueberall Verkaufsstaende mit
ueberwiegend Suessigkeiten, Zigaretten, teilweise
Zeitungen,... Verkaeuferinnen insbesondere der
kleineren Staende sind haeufig Indio-Frauen in
traditioneller bunter Kleidung und schwarzem Hut.
Auffaellig sind auch auch die vielen tw. ebenfalls
sehr hartnaeckigen Schuhputzer, die allesamt eine
Strickmuetze mit Schirm tragen, die nur einen Schlitz
fuer die Augen laesst... das ist offensichtlich
ausschliesslich ein Job fuer Jungs...

Schuhputzer Plaza San Francisco
BOLIVIEN IN AUFRUHR
Wie Ihr eventuell in den Nachrichten mitbekommen habt,
ist hier grad - wie bei meinem Besuch vor 2 Jahren - einiges in
Aufruhr. Gestern gab es landesweite Maersche -
insbesondere in La Paz, El Alto (beim Flughafen La Paz) und in
Cochabamba. Tausende von Bolivianer/innen protestieren dagegen, dass
ihr Erdgas via Chile an die USA bzw. Mexico exportiert wird.
Sie fordern, dass dieser Rohstoff wieder ganz in bolivianische Haende
zuruckkehrt und fuer die verstaerkte
Industrialisierung des Landes verwendet wird.
Und da
parallel dazu die Fahrer von LKWs und Bussen gestern
streikten, ging gestern hier in La Paz so gut wie
nichts mehr. Die Fahrer wurden gegen ihren
Anfuehrer handgreiflich und setzten ihn ab, da
dieser nach einem erzielten Kompromiss ohne Rücksprache
den Streik fuer beendet erklaert hatte...
Darüber hinaus blockieren
Cocabauern wieder einige Strassen. 76 auslaendische Touristen
und ca. 100 Bolivianer/inner sitzen daher im abgelegenen Sorata fest.
Sie werden voraussichtlich in Kuerze ausgeflogen...
Ihr seht, hier ist viel in Bewegung. Von sonstigen Gefahrenzonen
wurde aber nichts berichtet... Also macht Euch mal
keine Sorgen um mich. :-)
Werde morgen versuchen, gen Sucre und Potisi zu
reisen, sofern Streiks und Blockaden dies zulassen.
Euch noch einen wunderschoenen Altweibersommer und
beste Gruesse
Babette - viajando...